Die Hoflieferantinnen


Von Marita Krauss

Starb ein Geschäftsinhaber, den der König oder der Prinzregent mit einen Hoftitel ausgezeichnet hatte, so übernahm oft die Witwe das Unternehmen. In Handwerksbetrieben waren sie es meist, die den Verlaufsladen betrieben und als Seele des Geschäftes einen Großteil des Kundenkontaktes übernommen hatten. Nach dem Tod des Ehemannes mussten sie eine Neuverleihung des Hoflieferantentitels beantragten. Doch es gab auch bereits im 19. Jahrhundert selbständige Geschäftsfrauen, die selbst ein Geschäft gründeten und dafür den titel beantragten: Hofwäscherinnen, „Hof-Seidenputzerinnen“, Kunststickerinnen und Fotografinnen. Insgesamt wurde 150 Frauen der Titel einer königlich bayerischen Hoflieferantin verliehen.

Selbständige Geschäftsfrauen

Eine dieser selbständigen Geschäftsfrauen war Karolina Mastaglio, die 1908 den Hoftitel als Inhaberin einer Goblinweberei beantragte; sie war verheiratet, 53 Jahre alt und hatte ihr Geschäft im Jahr 1884 gegründet. Den künstlerischen Teil verantwortete ihr Ehemann Dominikus Mastaglio, ein Kunstmaler. Die Firma beschäftigte acht Arbeiterinnen. Der städtische Gutachter schrieb: „Das Geschäft besitzt einen großen Ruf und Vertrauen in- und außerhalb Bayerns wegen seiner künstlerischen Reparaturen. Kundenkreis: Residenz, die bayerischen Schlösser und Museen, das Berliner Nationalmuseum, Fürst von Thurn und Taxis, Cramer-Klett.“ Karolina Mastaglio war die Chefin, ihr Mann künstlerischer Angestellter. Sie bezahlte ein Vielfaches seiner Steuern und erhielt auch den Hoftitel. In einem anderen Fall wurde ein Ehepaar ernannt: Das bekannte Münchner Spitzen- und Stickereigeschäft Rosa Klauber, das 1890 den Hoflieferantentitel erhielt, hieß bereits von Anfang an nach der Ehefrau, nicht nach ihrem Gatten Moritz Klauber. Der neuen Berufswelt gehörten auch die drei Hof-Photographinnen an: Sehr früh, 1876, wurde Emilie Bieber ernannt, deren Atelier in Hamburg stand, zwanzig Jahre später die emanzipierten Fotografinnen des „Hof-Ateliers Elvira“, Sophie Goudstikker 1898 und Emma Pförtner 1911. Im „Hof-Atelier Elvira“, dem extravaganten Mittelpunkt der Münchner Frauenemanzipation, gingen der Hochadel und die Angehörigen des Hofes ebenso ein und aus wie das gehobene Bürgertum oder die Schwabinger Bohème.

Tüchtige Witwen

Auch viele der Witwen agierten als tüchtige Geschäftsfrauen: Als der spätere Hofschlossermeister Johann Gottfried Mettin 1828 das Bürgerrecht und die Heiratserlaubnis in München erhielt, wurde für seine Ehefrau Katharina gleich die Erlaubnis mit beantragt, seine Erzeugnisse zu verkaufen. So war es auch in etlichen anderen Betrieben. Die verwitwete Karolina Bauch beispielsweise, Teilhaberin des Kürschnergeschäftes Bernhard Bauch, beantragte 1913, den Hoflieferantentitel weiterführen zu dürfen: Sie arbeitete seit 1876 im Geschäft ihres Mannes. Zu ihren Kunden gehörten „Allerhöchste Herrschaften“, so die bayerischen Prinzen Ludwig, Leopold, Konrad und Georg, Prinz Friedrich von Preußen, die Kronprinzessin von Rumänien, die Großherzogin von Sachsen-Coburg-Gotha, die Großfürstin Cyrill von Russland. Auch Rosa Dienes, die das Spielwarengeschäft Wahnschaffe leitete, war Witwe; als sie 1913 den Titel wieder beantragte, führte sie die Firma bereits zwei Jahre erfolgreich und hatte vorher dort 13 Jahre gearbeitet. Und Therese Randlkofer, die von ihrem Mann das Delikatessengeschäft Alois Dallmayr übernahm, wurde zur Matriarchin des Unternehmens, die Stil und Aufstieg entscheidend prägte. Eine resolute Person muss auch die Hoffischerswitwe Fanny Kuffer gewesen sein, die nach dem Tod ihres Mannes das Geschäft in der Heiliggeiststraße 5 allein weiter betrieb. Der Münchner Bezirksinspektor schilderte 1884 anschaulich diese kinderlose Frau, von der auch er meinte, sie sei „als eine tüchtige Geschäftsfrau bekannt“. Sie betrieb nicht nur das „Verkaufslokal in ihrem Anwesen“, sondern dominierte auch den Fischverkauf auf dem Viktualienmarkt: Dort hatte sie „noch drei weitere Verkaufsplätze“. Sie war also eine „Fischkönigin“ des Münchner Marktes. Jährlich verkaufte sie rund 400 Zentner Fische. „Ferner besitzt dieselbe im Anwesen No. 47 an der Quellenstraße eine Fischzucht und versendet nach Preußen, Baden, Frankreich und Russland jährlich etwa 50.000 Stück Bruteier.“ Über einiges erhielt der neugierige Bezirksinspektor Auskunft, bei anderem schickte ihn die Fischhändlerin seiner Wege: „In ihrem Geschäfte ist ein Gehilfe und eine Magd thätig. Sie führt die einfache Buchhaltung und gab über die Jahresbilanz und den Reingewinn weiters keine Aufschlüsse.“ Er war voller Respekt über ihre ungewöhnliche Energie. Fanny Kuffer durfte den Hoflieferantentitel weiter führen.

In solchen Titelverleihungen spiegelt sich zumindest ein wenig von der Bedeutung der Frauen in der Geschäftswelt des 19. Jahrhunderts: Kaum einer der mit einem Hoftitel bedachten Betriebe hätte den Aufstieg ohne diese Frauen geschafft.


Prof. Dr. Marita Krauss

ist Autorin des Buches „Königlich bayerische Hoflieferanten“,
München (Volk Verlag) Copyright 2009