Der Schuhmachermeister
Eduard Meier - der Königlich Bayerische Hoflieferant


Von Marita Krauss

Eduard Meier Peter Eduard Meier und seine Schwester Brigitte führen das alteingesessene Schuhgeschäft Eduard Meier in der Münchner Residenzstraße so, dass der Begriff des „königlich bayerischen Hoflieferanten“ auch für das 21. Jahrhundert wieder mit Leben gefüllt wird. Das Wichtigste ist dabei hohe Qualität bei den Waren wie bei der Beratung. Dies hat seinen Preis: Qualität und Preis heben dieses Geschäft deutlich von anderen ab und lassen es zum Einkaufsparadies vor allem der Schönen und Reichen werden. Doch Eduard-Meier-Schuhe, so versichern begeisterte Kunden, kosten nicht nur das Dreifache, sie halten auch dreimal so lang wie andere Schuhe. Und sie sind ein Vielfaches bequemer. Wie vor hundert Jahren kann man sich hier auch Schuhe anmessen und handfertigen lassen. Beim Herrenschuh sind das klassische Modelle wie „Oxford“, „Court“, „Blucher“, „Monk“, „Plain Derby“ oder „Loafer“.

Um die Pflege dieser Schuhe hat Peter Eduard Meier, der sich wie schon sein Großvater Wilhelm Meier bestens auf kreatives Marketing versteht, einen regelrechten Kult entwickelt: Der Gentlemen, so die Philosophie, putzt seine edlen Schuhe selbst. Wie das genau geht, erfährt er in einer entsprechenden „Schuhfibel“ oder in Schuhputzerkursen, die von Eduard Meier angeboten werden. Und es geht nicht nur um Schuhe: Der vermögende Landedelmann, der großstädtische Prominentenanwalt, die Münchner Dame der Gesellschaft, sie alle finden hier, was sie suchen: Neben feinen Tages- und Abendschuhen sind das Reit- und Bergstiefel, Jagdzubehör, handgefertigte Koffer, ebenso besondere Dirndl und von Hand bestickte Lederhosen, Freizeitkleidung aus Loden und Tweed, Safarijacken und elegante Abendgarderobe sowie Zubehör für die Schuhpflege, darunter die schon legendäre Schuhcreme eigener Entwicklung, „EM3“. Und ab und zu lassen sich auch noch in unseren Tagen ein echter König oder eine Königin hier Schuhe anmessen, wie die Firma diskret durchblicken lässt. Denn neben Qualität und Beratung ist die geschickte Öffentlichkeitsarbeit seit den zwanziger Jahren eine dritte Säule, auf der die Firma ruht.

Die Firmenbezeichnung „Eduard Meier“ geht auf den seit den achtziger Jahren in München tätigen Schuhmacher Eduard Meier zurück, den Urgroßvater der heutigen Besitzer. In den zwanziger Jahren begann dessen Sohn Wilhelm Eduard Meier, den Traditionsbezug zu einem Schuhmachermeister Hans Mayr aus dem Jahr 1596 herzustellen. Für die heutigen Inhaber ist der Hoflieferanten-Titel, der der Firma 1895 verliehen wurde, Aufgabe und Verpflichtung.

Hoflieferant Eduard Meier

In dem entsprechenden Gutachten hieß es: „Gesuchsteller Eduard Meier, verheiratet und Vater zweier Kinder, … brachte [sein Geschäft] durch Ausdauer, unermüdlichen Fleiß und rechte Geschäftsführung zu ganz bedeutender Höhe und Blüte. Seine Kundschaft ist in hohen und höchsten Adels-, Bürgertums-, Beamten- und Militärkreisen zu suchen. Seiner Spezialität in Anfertigung von orthopädischem Schuhwerk wegen, ist er von Ärzten bestens empfohlen. Meier steht seinem Geschäfte persönlich vor, steht in bestem Ruf und Ansehen, wird allgemein geschätzt und geachtet und erweist sich der Verleihung des Hoftitels voll und ganz würdig.“ Das Geschäft hatte 1894 bereits einen Jahresumsatz von 42.000 Mark und beschäftigte zehn Arbeiter. Die Bilanz ergab einen Reingewinn von 10.000 Mark, das Geschäftsvermögen betrug 18.000 Mark, das Barvermögen 6000 Mark. Ähnliche Gewinne erzielten in diesen Jahren Geschäfte wie der Hofkupferschmid Franz Ragaller, der Juwelier Theodor Heiden oder das Zigarrengeschäft Max Zechbauer. Ein Vergleich zu den damaligen Preisen für handgemachte Schuhe lässt die ungefähre Größenordnung eines solchen Umsatzes erahnen: Ein Paar Hartschierstiefel kostete 1913 zwischen 12.50 und 19 Mark, ein Paar Damen- oder Herrenreitstiefel lag zwischen 10.50 Mark und 14.15 Mark, ein Paar Stiefel oder Schuhe mit „Pompadurabsätzen“ konnte man bereits ab 5.65 Mark haben. Für einen Umsatz von 42.000 Mark musste ein Schuhmacher also rund 3000 Paar Schuhe verkaufen. Schneider und Schuhmacher waren für die oben genannten „hohen und höchsten Adels-, Bürgertums-, Beamten- und Militärkreise“ unabdingbar: Kein „Herr“ hätte sich ohne gut sitzenden Maßanzug oder maßgefertigte Stiefel auf der Straße gezeigt; das galt ebenso für die Offiziere, die ihre gesamte Ausrüstung, einschließlich der Reitstiefel, selbst anfertigen lassen und auch selbst bezahlen mussten. Was bei Schneidern die genauen Maße, waren bei Schuhmachern die „Leisten“, also die den Kundenfüßen entsprechenden Formen in Holz. Bei dem Hoflieferanten Eduard Meier lagerten an die 10.000 Paar solcher Leisten als Grundlage für die Maßfertigung.

Der Erbe des Unternehmens, der 1891 geborene Wilhelm Meier, kehrte als Leutnant aus dem Ersten Weltkrieg zurück, er hatte jedoch einen Arm verloren. In der Produktion der Firma Meier arbeiteten rund 20 Mitarbeiter, darunter etliche Schuhmacher. Außerdem begann Meier damit, hervorragende Konfektionsschuhe von ausgewählten Lieferanten zu beziehen. Das Geschäft Ecke Karlstraße / Barerstraße wuchs; er erwarb das Grundstück und das Gebäude für 600.000 Mark. Und er konnte weiterhin prominente Kunden gewinnen. Wilhelm Eduard Meier nahm an großen Modeschauen teil, er machte die historische Tradition zum Firmenmarkenzeichen und bemühte sich besonders darum, seine Schaufenster durch Größe, Dekoration und Beleuchtung zu einem bestaunten Aushängeschild zu machen. Daneben verfolgte Wilhelm Meier seine wegweisenden Bemühungen um orthopädisches Schuhwerk weiter. In vieler Hinsicht war er ein Pionier des Marketing, der die Wünsche der Zeit nach der verlorenen Tradition und nach Glamour bravourös mit modernsten Elementen der Präsentation zu verbinden wusste.

„Höchste“ und „allerhöchste“ Kunden in den zwanziger Jahren

In den Geschäftsunterlagen finden sich etliche Bestellungen und Anerkennungsschreiben, die zeigen, dass das Unternehmen in den zwanziger Jahren blühte und „allerhöchste“ Kunden anzog. Die sicherlich prominenteste Kundin war Hermine, die zweite Frau des abgedankten deutschen Kaisers Wilhelm II. Im Juli 1928 schrieb sie aus dem Exilort Haus Doorn in den Niederlanden an die Firma Eduard Meier: „Besten Dank für Ihr freundliches Angebot. Da Sie meine Leisten besitzen, denke ich, dass Sie die Schuhe auch ohne nochmalige Anprobe anfertigen können. Ich bitte um Proben von Leder und um die Zeichnungen für Abend-, Tages- und feste Promenadenschuhe. Da ich in Trauer bin, kommt wohl nur schwarz oder grau in Betracht.“ Und zwei Monate später: „Besten Dank für die freundliche Übersendung der Silberschuhe, die mir sehr gefallen. Für den Pelzschuh habe ich als Muster No. 45 gewählt.“ Fürst Carl Wrede bemerkte im Januar 1919 anerkennend: „Mit den letzten gelieferten Schuhen bin ich sowohl wegen der schönen, eleganten Form, wie wegen des guten Sitzes vollauf zufrieden. Ich möchte Sie bitten, mir die kürzlich bestellten Touristen- und Gebirgsstiefel ebenso gut passend anzufertigen. Bei dieser Gelegenheit will ich nicht verfehlen, Ihnen zu sagen, wie sehr ich mit Ihren mir gelieferten Schuhen zufrieden bin. Seit sieben Jahren trage ich nun Ihre Schuhe und bin Ihnen zu großem Dank verpflichtet“. Als im Oktober 1932 die zukünftige schwedische Königin bei Eduard Meier einkaufte, berichtete die Presse – sicherlich nicht ohne Zutun des rührigen Firmeninhabers: „Wie dieser Tage fast sämtliche Blätter zu berichten wussten, wurde in Coburg die Hochzeit des Erbprinzen Gustav Adolph von Schweden mit der Prinzessin Sybille von Sachsen-Coburg-Gotha gefeiert. Ein ganz besonderer Vorzug für die Münchner Geschäftswelt dürfte darin liegen, daß die fürstliche Braut ihre Brautausstattung zu einem guten Teil durch hiesige prominente Firmen liefern ließ. So erschien eines Tages die Braut persönlich in dem als Qualitätsfirma weit und breit bekannten Geschäfte Eduard Meier, Haus für feine Schuhwaren, um nicht allein die Brautschuhe selbst zu kaufen, sondern auch die gesamte Schuhausstattung, bestehend aus 14 Paar Schuhen und Hausschuhen. … Die Firma Eduard Meier, welche wegen ihrer soliden Qualitäten und ihrer geschmackvollen Luxusschuhe bekannt ist und in Vorkriegszeiten den Titel Kgl. Bayerischer Hoflieferant führte, darf stolz auf diesen Auftrag sein.“ Wilhelm Eduard Meier verstand es also, nach dem Ende der Monarchie die prominenteste Adresse für feine Schuhe in München zu werden oder zu bleiben. Er verkörperte die Handwerkstradition und den Stil der Vorkriegszeit, war dabei aber nicht stehen geblieben, sondern ging genügend mit der Mode, um die Kunden anzuziehen, die auf beides Wert legten. Seit 1932 war er auch Vorsitzender des Schuhhändlerverbandes in Südbayern.

„Eduard Meier hieß der stets galante Bändiger zarter Frauenfesseln…“ – die Modenschauen

Um seinen Ruf zu festigen und anspruchsvolle Kunden und Kundinnen auf das Geschäft aufmerksam zu machen, beteiligte sich Wilhelm Meier zusammen mit anderen ehemaligen Hoflieferantenfirmen an großen Modenschauen verschiedener Salons; ihm war klar, dass er sich nur über eine gezielt gepflegte öffentliche Wahrnehmung von anderen Firmen abheben konnte. Lokale Schauen hatten damals noch eine weitaus größere Bedeutung als heute, war doch der Markt noch viel weniger internationalisiert. Die Anwesenheit bayerischer Prinzessinnen war bei solchen Gelegenheiten der Presse weiterhin einer Erwähnung wert. Im Februar 1924 – die verheerende Inflation war erst seit wenigen Wochen durch eine Währungsreform gebannt – schwärmte die Allgemeine Zeitung über eine Modenschau im Bayerischen Hof: „Für einen tadellos beschuhten Fuß ist die Firma Eduard Meier richtunggebend. Ihre Modelle hatten den besten Erfolg. Straßenschuhe aus giftgrünem oder rotem Chevreau sind neu und amüsant. Noch reizvoller wirkten Schuhe aus braunem Boxcalf, durchsetzt mit braunem Krokodilleder oder aus schwarzem Lack zu grauem Krokodilleder abgestimmt. Schlangen- Eidechs- und Krokodilleder werden die große Mode werden.“ Im Dezember 1924 folgte die nächste Eloge: „Und all das tänzelte auf Schühchen daher, die unwillkürlich das bewundernde Auge auch nach unten lenkten: Eduard Meier heißt hier der stets galante Bändiger zarter Frauenfesseln…“ Nach Krieg, Revolution, Inflation und Hitlerputsch wandten sich diejenigen, die ihr Vermögen gerettet und diejenigen, die es in dieser Zeit gemacht hatten, wieder dem Luxus zu. Das Feinste war gerade gut genug und Reptilienleder, das bereits im 19. Jahrhundert für Luxusschuhe verwendet worden war, sollte dies auch nach außen signalisieren. Die kurzen „goldenen zwanziger Jahre“ hatten begonnen. Die alten Münchner Hoflieferanten-Firmen spielten in der Münchner Modeöffentlichkeit weiterhin eine führende Rolle, stifteten Tombolagewinne und bestimmten die Modeschauen. Zu einer Schau in der Münchner Tonhalle im September 1932 trug Meier, so die Münchner Neuesten Nachrichten, „wahre Kunstwerke von Schuhen“ bei: „Durch Pagen wurden besonders entzückende Exemplare von zarten Schuhen der Firma Ed. Meier im Saale umhergetragen.“ Der Handschuhhersteller Roeckl und Eduard Meier waren oft gemeinsam vertreten. Auch 1934 spielten die ehemaligen Hoflieferanten Ed. Meier, Roeckl, Pelze Riccius und der Friseur Honsell bei einer Modenschau zusammen. Modenschauen, so lässt sich dies resümieren, erregten die Aufmerksamkeit der Presse und des Publikums, sie waren ein Ausweis für Qualität und zogen anspruchsvolle und zahlungskräftige Kundinnen in den Laden von Eduard Meier. Der Aufwand für solche Schauen war und ist bis heute groß, doch er lohnte sich. Diejenigen Firmen, die noch zu Zeiten der Monarchie über den Hoflieferantentitel ein Qualitätssigel erhalten hatten, verstanden sich auf diesem Wege weiter im Gespräch zu halten.

Haltbarkeit und Qualität

Doch die Schuhe der Firma Eduard Meier standen keineswegs nur für Schönheit und Luxus. Zur Bestätigung dafür sammelte der Firmeninhaber in den zwanziger Jahren beharrlich Anerkennungsschreiben. Fürst Carl Wrede schrieb: „Besonders möchte ich Ihnen noch meine Anerkennung aussprechen für die … mir gelieferten vorzüglichen Militärstiefel (Reit- und Schnürstiefel), die mir während meiner 4 1/2jährigen Felddienstzeit unschätzbare Dienste leisteten. In den schlammigen Schützengräben Flanderns und in den Sümpfen Russlands haben sie die Wasserdichtheit bewiesen und mich sicher vor mancher Erkältung geschützt. Meine Kameraden haben mich oft beneidet.“ Im Juni 1933 gab ein Dr. ing. Robert Koch aus München ein ähnliches Urteil ab: „Genau vor 23 (!) Jahren liess ich als Fahnenjunger im 3. Chev. Regt. Bei Ihnen u. a. ein Paar Reitstiefel machen, die ich während meiner Dienstzeit, im Wechsel während des Weltkrieges und als Zeitfreiwilliger, wie bei ungezählten Tanzveranstaltungen zum historischen Kostüm trug; auch heute als Nachrichtenführer im Reitersturm trage ich dieses fast unzerstörbare Paar fast täglich zum Reiten oder zum Fussdienst.“

Wer jedoch „Luxusschuhe“ aus Schlangenleder kaufte, konnte sich bei einer Reklamation von dem resoluten Firmenbesitzer auch eine deutliche Abfuhr holen. So ein Fall wurde 1935 vor die Industrie- und Handelskammer getragen: Paula Merk monierte einen Riss auf der Innenseite des rechten Schuhes. Sie hatte die Schuhe jedoch auf steinigen Gebirgswegen in Dalmatien getragen, nicht im großstädtischen Tanzcafé. Die Kammer gab daher der Firma Meier Recht. Ein Gegenbeispiel waren die golden irisierenden „Goldkäferschuhe“, die Frau Berth von Bucholz bei Ed. Meier erworben hatte, und die sie erst elf Jahre nach dem Kauf zum ersten Mal neu besohlen lassen musste.

Sehr positiv äußerten sich Kunden wie Presseartikel zu der guten Qualität und optisch ansprechenden Form der orthopädischen Schuhe. Schon früh hatte sich Eduard Meier um dieses Gebiet bemüht. Der Besitzer von „J. B. Brunthaler, K. B. und H. S. Hoflieferant, Südfrüchte-Großhandlung, gegr. 1858 – Erstes Münchener Bananenhaus“ in der Blumenstraße schilderte eindrucksvoll das Vorher und Nachher bei richtigen Schuhen: „Ein abnormer Fuss ist eines der unangenehmsten Übel, besonders dann, wenn bei jedem Tritt zufolge des nicht passendes Schuhes die Schmerzen den ganzen Körper in Mitleidenschaft ziehen. ... Ein glücklicher Zufall führte mich zu Ihnen … die grosse Freude darüber, jetzt einen Schuh für den kranken Fuss zu besitzen, der eine wahre Wohltat ist, und an eleganter Form nichts zu wünschen übrig lässt, entbinden mich jeden Commentars. …“

Die Firma Eduard Meier machte die „Fußgesundheit“ zu ihrem Anliegen und eröffnete 1925 eine eigene „Gesundheitsabteilung“: Hühneraugen, Ballen- und Zehenverkrümmung, Platt-, Senk- und Knickfüße seien mit den richtigen Schuhen vermeidbar. Das „Angulus-System“ basierte auf dem Grundprinzip der geraden Achsenstellung des Schuhleistens, im Gegensatz zur sonst schiefen Achsenstellung des Schuhwerks. Mit seiner neuen Abteilung und mit dem „Peduskop“ landete Wilhelm Eduard Meier erneut einen großen Öffentlichkeitserfolg; beides wurde in allen Zeitungen besprochen. Das Peduskop war ein „Röntgen-Fuß-Durchleuchtungsapparat“ aus Amerika. Mit diesem Apparat konnte man den Fuß durch den Stiefel betrachten und so feststellen, ob der Schuh die richtige Lange, Breite und Form habe. Die Erkenntnisse aus der Arbeit mit diesem Apparat spielten damals auch eine gewisse Rolle für die Entwicklung von Leisten. Außerdem war der Apparat ein exklusives Schauobjekt für das Publikum und damit auch ein Public Relations Erfolg.

„Münchner Raumkunst im Hause Ed. Meier“ – Schaufenster und Verkaufsraum

Eine weitere Möglichkeit, die Aufmerksamkeit des Münchner Käuferpublikums zu erregen, bot die Schaufenster-Dekoration. Dies wurde in den zwanziger Jahren regelrecht zur Kunstform erhoben. Vor Weihnachten bummelte ein Journalist durch die Straßen der Innenstadt und kommentierte die schönsten Dekorationen, die edelsten Farben und geschmackvollsten Einfälle, eine Sitte, die nach dem Zweiten Weltkrieg wieder auflebte und bis in die sechziger Jahre üblich war. Kaum ein Jahr, in dem die Firma Eduard Meier dabei nicht lobend erwähnt wurde. Im Jahr 1925 gab es in München „Schaufenster-Dekorations-Fachkurse“ und Eduard Meier war eine der zehn Firmen, deren vorbildliche Schaufenster in diesem Zuge besucht wurden. Ein Jahr später präsentierte die Firma ihre handgearbeiteten Ballschuhe vor „zart zusammengestimmten lichten Stoffen“ auf einem Boden aus kirschrotem „Velour antique“, was die Presse sehr lobte.

Besondere Anerkennung fand der Umbau des Ladens Mitte der zwanziger Jahre. Die München-Augsburger Abendzeitung schwärmte sogar von „Münchner Raumkunst im Hause Ed. Meier“; in jedem Falle war ein regelrechter Thronsaal des Schuhkaufs entstanden: „Der Hauptverkaufsraum erstreckt sich nunmehr … über die gesamte Gebäudefront. Gegen das Hausinnere schließen sich die besonderen Anprobe- und Maßkabinen unmittelbar an. Die neu hinzugekommene Kabine ist in edlem, der Moderne angepasstem Empirestil gestaltet; erlesene Stoffe in lichtgrünem, figurenreichem Gewebe auf cremefarbenem Grunde bespannen die Wände und die Möbel, und köstliches Mahagonni als Gehäuse hoher Vitrinen und Stütze der Sitzmöbel bringt kräftige, dunkelschimmernde Strukturen in den Raum. Deckenlicht und Wandkandelaber entsenden strahlenden Glanz über den Raum; bunt leuchten neueste Schöpfungen der Schuhkunst aus blitzenden Glasschränken. Es ist das Milieu geschaffen, das für die subtile Wahl schönen Schuhwerks angemessen ist und Hilfen gibt in der süßen Qual der Wahl. Ed. Meier, das Haus für feine Schuhwaren, hat wieder einen Schritt getan zu seinem Ziele, innerhalb der modeschöpfenden Feinschuh-Firmen Deutschlands stets an hervorragender Stelle zu stehen.“ Die Welt am Sonntag schrieb sogar von einem „Thronsessel für die Anprobenden“ [Foto]. Im September 1928 folgte ein kompletter Umbau der Schaufensterfront: Die Wand bestand nun aus gelbem, gemusterten Marmor, die Fenster und Eingänge waren mit patinierter Bronze eingefasst, ebenso die Schrift, die nachts von Zeissscheinwerfern strahlend beleuchtet wurde. Zwischen den Schaufenstern waren Vitrinen eingelassen, die Hofmöbelfabrik Ballin hatte die Schaufenster in braun poliertem Zebraholz mit Maserfüllung ausgestattet. Es entstand ein „Bild von einer künstlerischen Vornehmheit, das nicht viele seinesgleichen in München haben dürfte“, wie die Münchner Zeitung ehrfurchtsvoll kommentierte. Das Schaufenster, der Verkaufsladen und damit das Einkaufen hatten sich hier selbst zu einem Kunstwerk entwickelt; die Kunden jedweder Herkunft fühlten sich bei diesem ehemaligen Hoflieferanten selbst wie Könige behandelt.

Aufmerksamkeit erweckte Wilhelm Eduard Meier in den zwanziger Jahren auch mehrfach mit Ausstellungen seiner internationalen und historischen Schuhsammlung in den Schaufenstern des Schuhgeschäftes. Diese Präsentationen lockten wiederum interessierte Münchner vor die Meierschen Schaufenster in die Karlstraße. Meier berief sich seit Anfang der zwanziger Jahre zunehmend auf eine lange Zunfttradition seines Geschäftes, verwendete in Anknüpfung an die Tradition eines Hans Sachs und der „Meistersinger von Nürnberg“ historisierende Stiche mit Schuhmacherszenen für die Werbung und nahm damit die Renaissance des „Altdeutschen Stils“ in den dreißiger Jahren voraus: Wie die Adelsgeschlechter für die „Adelsprobe“ 16 adelige Vorfahren nachweisen mussten, gab es einen vergleichbaren Stammbaum mit Handwerkervorfahren zu bestaunen. Für alle seine Briefe, Drucksachen und auch den Schriftzug über seinem Laden benutzte er bereits Mitte der zwanziger Jahre „Deutsche Buchstaben“, also Sütterlin-Schrift. In der NS-Zeit waren die Schaufenster dann vielfach mit nationalsozialistischen Emblemen geschmückt. Dies nicht ganz ohne Grund: Das Geschäft lag inzwischen mitten im rasch wachsenden NSDAP-Parteiviertel, in dem 1942 rund 3000 Angestellte der Partei arbeiteten. Direkt gegenüber von Eduard Meier saß die Reichsführung SS, auf der anderen Seite der Barerstraße schloss unmittelbar die NSDAP-Reichsleitung an, ebenso auf der gegenüberliegenden Seite der Karlstraße. Das elegante Einkaufsviertel veränderte sein Gesicht. So kamen neue Kunden zu Eduard Meier, gleichermaßen blieben alte Kunden weg, die nicht gerne freiwillig in diese Gegend gingen. Die Eröffnung der beiden Filialen in der Maffei- und in der Theatinerstraße stand damit wohl in Zusammenhang. Wilhelm Meier selbst stand der Partei positiv gegenüber, obwohl von ihm auch durchaus deftige Anekdoten und Aussprüche überliefert sind. In den letzten Kriegsjahren arbeiteten auch Zwangsarbeiter für Wilhelm Meier. Der Bombenkrieg beendete dann ein ganzes Kapitel der Firmengeschichte: Das Haus, die Inneneinrichtung, die gelagerten Leisten, die Werkstätten, das Leder und die Fertigungsunterlagen wurden bei einem Bombenangriff am 17. Dezember 1944 völlig zerstört. Man behalf sich in Hinterhöfen und Notquartieren.

Von der Karlstraße in die Residenzstraße

Eduard Wilhelm Meier, Sohn Wilhelm Meiers, kehrte 1948 aus der jugoslawischen Kriegsgefangenschaft zurück und baute zunächst einen Behelfsladen auf dem Ruinengrundstück in der Karlstraße; 1955 wurde wieder eine Filiale in der Maffeistraße eröffnet. Der Münchner Merkur lobte den Verkaufsraum, der ganz in Holz ausgeführt war. Der neue Inhaber behielt dort die Traditionselemente, die sein 1955 verstorbener Vater eingeführt hatte, bei: „In einer Sitzecke sind alte Zunftzeichen, Krüge, Schuhmachermaße etc. ausgestellt. Das Verkaufspersonal trägt, dem Charakter der Ausstattung entsprechend, Dirndlkleider und Schürzen in den Farben der Polsterung.“ 1963 zog das Geschäft in die Maxburg um. 1982 konnte die Firma dann den heutigen Laden in der Residenzstraße 22 beziehen.

Peter Eduard Meier und seine Schwester Brigitte führen die Firma „Eduard Meier“ seit Mitte der achtziger Jahre. Viele der Schuhe werden noch handwerklich von Schuhmachern in Zwischenmeisterbetrieben nach Leisten und Modellen von Ed. Meier gefertigt. Daneben werden Designerschuhe aus England, Italien und den USA angeboten. Eduard-Meier-Schuhe sind jedoch inzwischen auch in Moskau und Tokio zu kaufen. Besonders wichtig ist der Firma die Weiterentwicklung der besonderen Leisten, die für den richtigen Halt und die Passform der Schuhe entscheidend sind.

Der heutige Laden hat seinen ganz eigenen Stil gefunden: nicht mehr historisierend-altdeutsch, eher „anglo-bajuwarisch“, wie das die Firma selbst nennt; das repräsentieren Tweed und Lederhose, die hier brüderlich vereint sind, viel dunkles Holz und Glas, warme Lederfarben und bunte Farbtupfer von Steppjacken oder Dirndln. Der Firma geht es dabei nicht nur um den Verkauf bestimmter Produkte, sondern auch um deren besondere Fertigung, durch die ein besonderes Handwerk wie das der Koffermacher weiterleben kann. Nach wie vor umfasst das Sortiment neben den edlen „Peduform“-Herren- und Damenschuhen auch Wanderstiefel, nach wie vor ist es der Stolz der Firma, langlebige, zeitlose und grundbequeme Schuhe anzubieten. Und die Prominenz kommt wie in den zwanziger Jahren: Obwohl man über die Kunden schweigt, gehört beispielsweise der kalifornische Gouverneur Arnold Schwarzenegger dazu, der sich mit Eduard-Meier-Wanderstiefeln fotografieren ließ. Von den klassischen Schuhmodellen sind bis zu 400 verschiedene Passformen vorrätig. Diese Schuhe sind rahmengenäht, mit einer eingearbeiteten Korkschicht für die Verbesserung der funktionellen Leistungsfähigkeit, über den asymmetrischen Peduform-Leisten gearbeitet und aus bestem Leder. Maßgefertigte Ed. Meier-Schuhe, also gewissermaßen der Ferrari unter den Schuhen, kosten heute rund eintausend Euro, ein rahmengenähter „Goodyear“ ist bereits für weniger zu haben. Ein solcher Schuhkauf ist auch eine Verpflichtung: Um die edlen Begleiter lange zu erhalten, muss die Pflege stimmen. Die Firma hat daher eigene Cremes, Lotionen aus (Bienen- / Canauba-) Wachs und gerbenden Substanzen entwickelt, hinzukommen Ross- und Ziegenhaarhaarbürsten und der kratzerausgleichende „Shoebone“, das Kugelende eines Hirschkuhknochens.

Die Firma Eduard Meier repräsentiert einen bestimmten Typus „vormals k. b. Hoflieferanten“: den kleinen, hochexklusiven Spezialisten, der wie einst der Schneider zum Vertrauten der kleinen Defizite wird, der durch den persönlichen Service eine Atmosphäre der individuellen Betreuung und Wertschätzung schafft. Damit setzt Peter Eduard Meier besondere Akzente in einem Geschäftsbereich, der sonst weitgehend von Massenware geprägt ist. Davon ist der „vormals königlich bayerische Hoflieferant Ed. Meier“ meilenweit entfernt.


Prof. Dr. Marita Krauss

ist Autorin des Buches „Königlich bayerische Hoflieferanten“,
München (Volk Verlag) Copyright 2009